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Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Mit demGesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrenswurde von den Regierenden trotz anderslautender PR-Mitteilungen erneut der Nachweis erbracht, dass es mit dem Ziel „Vereinfachung“, letztlich im Schwerpunkt um eine Vereinfachung für die Verwaltung und nicht um den Bürger geht.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wird der Finanzverwaltung verfahrensrechtlich ermöglicht, schrittweise im Zeitraum von 2017 – 2022 auf ein voll digitalisiertes und belegloses Besteuerungsverfahren umzustellen. Der Steuerpflichte oder sein Steuerberater / Lohnsteuerhilfeverein übermittelt die Daten ohne Belege an das Rechenzentrum der Finanzverwaltung. Von dort erhält er – vollautomatisiert und ohne Eingriff von Personal – seinen Steuerbescheid!

Das ist das Ziel oder die bisherige Vision des Gesetzgebers. Informationen über die geflossenen Einkünfte aus Arbeitslohn, Renten, Versicherungsverträgen und Kapitalanlagen erhält die Finanzverwaltung bereits seit Jahren vollautomatisiert unter Angabe der Steuer-ID. Die elektronischen Datenübermittlungspflichten Dritter wurden vereinheitlicht und in der Generalnorm des neuen § 93c AO zusammengeführt. Dies schafft die Grundlage für die künftige Ausgestaltung und den Aufbau weiterer Datenübermittlungspflichten.

Die Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt dann zukünftig nicht mehr durch die manuelle Bearbeitung und rechtliche Würdigung durch den Steuersachbearbeiter beim Finanzamt. Datenerfassungsfehler können damit – zumindest theoretisch - nur noch durch den Steuerbürger oder seinen Berater und nicht mehr die Finanzverwaltung passieren.

Viel schwerer wiegt m.E. die Tatsache, dass nunmehr die Verantwortung einer steuerrechtskonformen Erfassung von Einkünften alleine beim Steuerzahler liegt. Falsche Angaben führen damit zwangsläufig deutlich schneller zu Steuerhinterziehungstatbeständen. Hat der Steuerzahler wissentlich in einem Erfassungsfeld einen nicht zutreffenden Betrag erfasst, beginnt das Kriminalisierungsrisiko für ihn. Klingt hart? Nehmen wir aber beispielsweisse an, bei den haushaltsnahen Handwerkerleistungen wird der gesamte Rechnungsbetrag und nicht nur der steuerbegünstigte Lohnanteil erfasst. Der Gedanke, „Der Finanzbeamte kann ja den Betrag streichen, wenn es ihm nicht passt“, greift nicht mehr. Die Eingabe wäre falsch und würde durch die vollautomatische Verarbeitung zu einer Steuerverkürzung führen. Je nach Sachverhalt ist dies als Steuerordnungswidrigkeit oder strafrechtlich als vorsätzliche Steuerhinterziehung zu würdigen.

Im Jahre 2015 wurden durch die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter 83.000 Strafverfahren bearbeitet. Im gleichen Jahr wurden durch die Steuerfahndung 36.708 Verfahren mit Mehrsteuern von rund 3,0 Milliarden Euro abgeschlossen und 1.728 Jahre Freiheitsstrafen verhängt. Eine beeindruckende Statistik des Bundesfinanzministeriums.

Durch den Einsatz ausgefeilter elektronischer Risikomanagementsysteme werden die, an die Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Steuererklärungen untersucht/plausibilisiert. Kommt es zu Beanstandungen, wird diese Erklärung aus dem maschinellen Prozess ausgesteuert und ein Sachbearbeiter überprüft manuell den Vorgang. Eine bestimmte Anzahl von Fällen soll auch über einen Zufallsgenerator zur manuellen Überprüfung ausgesteuert werden.

Um das Rechtsbehelfsverfahren (Einspruchsverfahren) bürgerfreundlicher zu gestalten, haben die Interessensverbände der Steuerzahler eine Modifizierung der Berichtigungsvorschriften durchgesetzt. Ebenso konnte gerade noch verhindert werden, dass die Verspätungszuschläge vollautomatisiert bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung festgesetz werden.

Auch Belege möchte die Finanzverwaltung nicht mehr sehen! So wird aus einer Belegvorlageverpflichtung eine Belegvorhalteverpflichtung. Dies bedeutet, die Finanzverwaltung erspart sich die Belegflut und fordert diese beim Steuerzahler nur zur Klärung von Zweifelsfragen an. Die Aufbewahrungsfrist beträgt ein Jahr nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung.

Im Ergebnis werden mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens bisherige Pflichten der Steuerverwaltung auf den Bürger verlagert. Die angestrebte Steuervereinfachung für den Bürger wird im Wesentlichen zu einer Verwaltungsvereinfachung mit erheblicher Einsparung von Personal- und Sachkosten. Das freigesetzte Personal soll übrigens vermehrt in den, nach Auffassung der Finanzverwaltung, risikobehafteten Bereichen wie der Betriebsprüfung und Unternehmerveranlagung eingesetzt werden.

Steuerpflichte sind gut beraten zwischen sich und der „automatisierten“ Finanzverwaltung einen berufenen Puffer in Form eines Steuerberaters oder Lohnsteuerhilfevereins zu stellen, um ihre Rechte zu wahren und Risiken zu vermeiden. Die dargestellten Neuerungen werden schrittweise umgesetzt. Für die Einkommensteuererklärung 2016 bleibt es im Wesentlichen beim bisherigen Verfahren.

 

Dieter P. Gonze Steuerberater

12.1.2017