Steuertipps
Der „Ehegatteneinkommensteuerbescheid" bei einer Zusammenveranlagung (§26 EStG)
Unter dem Begriff „Veranlagung" wird im Steuerrecht der Prozess von der Einreichung der Steuererklärung bis zum Erlass eines Steuerbescheides verstanden. Beim „Veranlagungszeitraum" handelt es sich um das Steuerjahr, welches im Regelfall dem Kalenderjahr entspricht. Bis einschließlich 2012 konnten Ehegatten zwischen getrennter (§ 26a EStG), gemeinsamer Veranlagung (§ 26b EStG) und im Jahr der Eheschließung der besonderen Veranlagung (§ 26c EStG) zur Einkommensteuer wählen.
Seit dem Veranlagungsjahr 2013 wurde die Wahl auf die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) reduziert. Darüber hinaus bestehen noch Sonderveranlagungen bei Tod eines Ehegatten (Einzelveranlagung mit Verwitweten Splitting) und im Jahr der Trennung (Einzelveranlagung mit „Sondersplitting" im Trennungsjahr). Bis einschließlich 2012 kann es im Einzelfall auch noch zu einer Besonderen Veranlagung mit Verwitweten-Splitting kommen.
Ehegatten wählen im Normalfall die Zusammenveranlagung. Durch die Zusammenveranlagung von Ehegatten kommen diese in den Genuss des so genannten Splittingtarifes. In den meisten Fällen führt dies zu deutlichen steuerlichen Vorteilen. Voraussetzung ist, dass einer der beiden Ehegatten Einkünfte unterhalb des Spitzensteuersatzes erzielt. Beim Splittingtarif wird das zu versteuernde Einkommen der Ehegatten zusammengerechnet und anschließend halbiert. Die festzusetzende Einkommensteuer wird an Hand des so ermittelten hälftigen zu versteuernden Einkommen und der Grundtabelle abgelesen und verdoppelt. Hierdurch entsteht ein Tarifvorteil, da die unteren Einkommenszonen mit keiner (Grundfreibetrag) oder niedrigerer Steuer als die oberen Tarifzonen belegt sind. Der maximale Tarifvorteil wird in den Fällen erzielt, in denen ein Ehegatte über keine eigenen Einkünfte, der andere Ehegatte über hohe Einkünfte (bis zum höchsten Tarif) verfügt. Weitere Steuervorteile können dadurch entstehen, dass ein Ehegatte seine Steuervergünstigungen mit seinen Einkünften nicht voll oder in nicht in der höchstmöglichen Höhe ausschöpfen kann. Rechnerisch werden die Einkünfteunterschiede zwischen den Ehegatten egalisiert, so dass die Grundfreibeträge und sonstige, dem einzelnen Ehegatten zustehenden Steuervergünstigungen optimal ausgeglichen werden. Grundvoraussetzung für eine gemeinsame Veranlagung ist, dass beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (Inländer) sind und in dem Veranlagungsjahr (Kalenderjahr) - zumindest zeitweise – zusammengelebt (eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft) haben. Ist dies nicht der Fall, besteht kein Wahlrecht und es ist - wie bei Ledigen - eine Einzelveranlagung für jeden Ehegatten durchzuführen. Die Wahl der Zusammenveranlagung erfolgt durch Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung.
Wichtig: Nach § 26 Abs. 2 EStG kann die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit eines Steuerbescheids noch geändert werden, wenn der der Steuerbescheid des anderen Ehegatten / Lebenspartners noch nicht bestandskräftig ist und dieser die Zusammenveranlagung beantragt.
- Einheitlicher Steuerbescheid: Die für Ehegatten günstige Zusammenveranlagung führt zu einem an beide Ehegatten gerichteten einheitlichen Steuerbescheid. Ehegatten werden damit durch die Zusammenveranlagung Gesamtschuldner im Sinne von § 44 Abs. 1 AO. Dies bedeutet die Ehegatten haften gemeinsam für den Ausgleich der festgesetzten Steuer.
Dies führt in einigen Fällen zu erheblichen Problemen. Einmal im Fall der „Ehekrise", wenn jeder von beiden Ehegatten für sich persönlich wissen möchte, welcher Teil der im Bescheid für die Ehegatten festgesetzten Steuer auf ihn entfällt. Oder, noch konkreter, welcher Teil einer Steuernachzahlung oder Steuererstattung auf den einzelnen Ehegatten fällt. Der zweite Fall ist noch brisanter und trifft auf die Fälle in den gegen einen Ehegatten wegen rückständiger Steuern seitens der Finanzverwaltung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden. Um die negative Wirkung der Gesamtschuld zu beenden ist der Antrag auf Durchführung einer getrennten Veranlagung denkbar. Dieser kann noch gestellt werden, soweit der Steuerbescheid zur Zusammenveranlagung noch nicht bestandskräftig ist. In diesem Fall ist gegen den Bescheid zur Zusammenveranlagung Einspruch einzulegen und die getrennte Veranlagung zu beantragen. Durch die getrennte Veranlagung gehen jedoch die Steuervorteile einer gemeinsamen Veranlagung verloren.
Bleibt es bei der gemeinsamen Veranlagung und einem gemeinsamen Steuerbescheid können zwei Maßnahmen ergriffen werden, um die genannten Probleme zu lösen. Soweit es zu einem Steuernachzahlungsbescheid kommt, kann Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld gem. § 268 AO beim Finanzamt gestellt werden. Die Folge davon ist, dass für den noch ausstehenden Steuerbetrag jeder Ehegatte nur in Anspruch genommen wird (Vollstreckungsschutz), soweit auf ihn die Steuerschuld fällt. Das Finanzamt erlässt einen sogenannten Aufteilungsbescheid (Bescheid über die Beschränkung der Vollstreckung nach § 278 ff. AO). Der Antrag kann frühestens mit Bekanntgabe des Steuerbescheides gestellt werden. Ist die Steuerschuld bereits beglichen, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden (§ 269 Abs.2 S 2I 2 AO).
Fazit: In sogenannten „Krisenfällen" (getrennt lebende Ehegatten, Ehestreit, ein Partner in Insolvenz etc.) sollte bei einer Zusammenveranlagung grundsätzlich sofort nach Bekanntgabe des gemeinsamen Steuerbescheides – soweit noch Steuerschulden bestehen – der Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld gestellt werden um unerwünschte Verrechnungen zu vermeiden. Das Gleiche gilt für die Festsetzung von Steuervorauszahlungen (Vorauszahlungsbescheid). Soweit Ehegatten weiter zusammen veranlagt werden und sich einer der Ehegatten in der Vermögenskrise / Insolvenz befindet, sollte die Gesamtschuldnerschaft konsequent durch die jeweilige Beantragung von Aufteilungsbescheiden aufgehoben werden. Nur so kann vermieden werden, dass beispielsweise Steuerüberzahlungen des solventen Ehegatten mit Steuerschulden des anderen Ehegatten verrechnet werden. Nach Erlass eines Aufteilungsbescheides kann die Finanzverwaltung nicht mehr Steuerschulden des einen Ehegatten mit Steuererstattungsansprüchen des anderen Ehegatten verrechnen (BFH BStBl. 88, S 408; 91, S 493 / vergl. Tipke/Kruse AO-Kommentar zu §226 AO). Zur Trennung der Steuerschulden zusammenveranlagter Ehegatten ist der Aufteilungsbescheid gem. § 268 AO das Mittel zur Vollstreckungsbeschränkung und zur Vermeidung von Aufrechnungen.
Das Bundesfinanzministerium hat die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zusammengefasst und mit Schreiben vom 30. 1.2012 (IV A 3 – S 0160/11/1001) ein 13-seitiges Anwendungsschreiben zu diesem Themenkomplex erlassen. Um eine genaue Zurechnung der Steuerzahlungen auf den jeweiligen Ehegatten bei einer Zusammenveranlagung zu erwirken, ist der Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides gem. § 218 Abs. 2 AO zu stellen. Mit dem Abrechnungsbescheid werden die Steuervorauszahlungen auf die im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer dem jeweiligen Ehegatten zugeordnet, für den sie geleistet wurden. Zusammen mit dem Bescheid über die Aufteilung der Gesamtschuld kann somit theoretisch exakt ermittelt werden, auf welchen Ehegatten Steuerschulden oder Steuererstattungsansprüche entfallen. Soweit die Theorie. In der Praxis ist im Vorfeld doch einiges zu beachten, um hier keine Nachteile zu erleiden. Es fängt bereits bei den Steuervorauszahlungen auf die jährlich anfallende Einkommensteuer an. Soweit nur Arbeitslohn bezogen wird, ist es unzweifelhaft, dass die jeweilige, im Rahmen der Lohnabrechnung einbehaltene Lohnsteuer auch für den jeweiligen Arbeitnehmer/Ehegatten bezahlt wurde. Anders bei festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen. Diese fallen u.a. an, soweit bei den Ehegatten weitere – in der Auszahlungsphase unversteuerte Einkünfte – wie aus Renten, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen/selbstständigen Tätigkeit vorliegen oder für die Arbeitnehmereinkünfte die Steuerklasse III gewählt wurde. Bezieht ein Ehegatten nur Einkünfte aus Arbeitslohn und der andere Ehegatte aus einer selbstständigen Tätigkeit, erhalten die Eheleute dennoch einen an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheid. Erfolgen dann die Vorauszahlungen, so werden diese Zahlungen seitens der Finanzverwaltung – unabhängig davon ob die Eheleute später tatsächlich zusammen veranlagt werden – zur Tilgung der zu erwartenden Steuerfestsetzung für beide Ehegatten verwendet. Dies ist besonders fatal, wenn einer der beiden Ehegatten vermögenslos (Beispiel: Insolvenz) wird und der andere nach seiner Auffassung die auf seine Einkünfte anfallende Steuer bereits getilgt hat. Das Problem besteht in der Zurechnung der geleisteten Steuervorauszahlungen.
Noch problematischer wird der Sachverhalt, wenn einer der Ehegatten mit einer Steuererstattung und der andere mit einer Steuernachzahlung rechnen kann. Bei unbestimmten Vorauszahlungen kann das Finanzamt davon ausgehen, dass der zahlende Ehegatte auch die Steuerschulden des anderen Ehegatten tilgen wollte (ständige BFH-Rechtsprechung vergl. BFH v. 30.09.2008 – VII R 18/08). Es kommt damit nicht darauf an von wem die Zahlung, sondern für wen die Zahlung geleistet wurde. Nach § 37 Abs. 2 AO hat derjenige einen Erstattungsanspruch, für den die Zahlung geleistet wurde, unabhängig davon wer tatsächlich gezahlt hat. Bereits hieraus ergibt sich eine zwingende Handlungsempfehlung: Steuervorauszahlungen sollten – auch bei Ehegatten - mit konkreter Bestimmung (Steuernummer, Name des Steuerpflichtigen Ehegatten, Bezeichnung der Steuer) und am besten vom Konto des betroffenen Ehegatten und nicht vom gemeinsamen Ehegattenkonto geleistet werden. Beispiel: „ESt-Vorauszahlung 2012- Katja Müller – Steuer-Nr. 47 11 0815". Nur durch eine konkrete Tilgungsbestimmung (§ 130 Abs. 1 BGB) lässt sich bei zu viel gezahlter Steuer des betreffenden Ehegatten ein späterer Erstattungsanspruch verwirklichen. Entstehen Guthaben aus geänderten Steuerbescheiden oder Steuerüberzahlungen, so ist rechtzeitig dem Finanzamt mitzuteilen, wie das erwartete Guthaben verwendet werden soll. Eine Tilgungsbestimmung wirkt erst ab Zugang bei der Finanzverwaltung. Erfolgte vor diesem Zeitpunkt bereits eine anderweitige zulässige Verrechnung, kann sie keine Wirkung mehr entfalten. In einem vom BFH entschiedenen Streitfall hatte zwar ein Ehegatte die Steuervorauszahlungen geleistet, dies jedoch unbestimmt und damit für beide Ehegatten. Der spätere Steuererstattungsanspruch wurde dann zur Hälfte dem Insolvenzverwalter des anderen Ehegatten zugesprochen.
Steuervorauszahlungen sollten grundsätzlich niemals unbestimmt geleistet werden. Dies kann auch zu unerwünschten weiteren Verrechnungen zwischen unterschiedlicher Steuerarten führen (Umsatzsteuer statt Einkommensteuer etc.). Auch zur korrekten Aufteilung der gegen die Ehegatten festgesetzten Steuer auf jeden einzelnen Ehegatten sind Maßnahmen im Vorfeld zu treffen. Einmal sind bei Erstellung der Einkommensteuererklärung entsprechend den Abfragen im ESt-Formular oder den ESt-Programmen die Einkünfte, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen etc. jeweils dem Ehegatten exakt zuzuordnen, bei dem sie angefallen sind. Im Zweifel teilt ansonsten die Finanzverwaltung nach dem Verhältnis 50:50 auf. Zum anderen sollte auch bereits beim Bescheid zur Einkommensteuervorauszahlungen gegen die Eheleute ein Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld gestellt werden. Um auch in einer „Krisensituation" innerhalb der Ehe die steuerlichen Vorteile der Zusammenveranlagung nutzen zu können, bedarf es – zur Vermeidung finanzieller Nachteile - bereits im Vorfeld genauer Überlegungen und fachlichen Rat.
Dieter P. Gonze, Steuerberater
4.8.2015